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Nachbericht: BDA Konsil 2 / 21. April 2023

5. Mai 2023

Kooperation versus Konkurrenz- Architektur und Verfahrenskultur im ökonomischen Kontext

Am 21.04.2023 trafen sich die Mitglieder des BDA Bayern zum 2. Konsil auf AEG in Nürnberg.

Das Format wurde eingeführt, um intensiver inhaltlich miteinander ins Gespräch zu kommen, so der Landesvorsitzende Dr. Jörg Heiler in seiner Begrüßung. Diesmal solle es um die wirtschaftlichen und vergaberechtlichen Voraussetzungen für unsere Arbeit als Architekten gehen. Großer Dank für die inhaltliche Vorbereitung ging an Matthias Köppen und Julia Mang-Bohn, die das Konsil auch moderierten.

Zum Auftakt führte Philippa Sigl-Glöckner, Ökonomin, Co-Gründerin der Denkwerkstatt „Dezernat Zukunft“ und SPD-Mitglied in die Wirtschaftswissenschaften und Finanzpolitik ein, erläuterte das Zusammenspiel von Markt und Politik, Eigentum, Kapitalismus und Wachstum und stellte einen Ausblick hin zu einer nachhaltigeren Ökonomie vor. Um die klimapolitischen Ziele zu erreichen, sei ein gewisses Wachstum und eine höhere Schuldenquote für Zukunftsprojekte wie Klimaschutz und Bildung notwendig.
Der Theologe und Philosoph Prof. Dr. Dr. Clemens Sedmak stellte in einem Video die psychologischen und sozialen Komponenten vor, die bei Menschen zu Solidarität und Kooperation im Sinne des Gemeinwohls führen und welche Eigenschaften dem entgegenstehen. Wobei sich Wettbewerb und Kooperation, gemäß Aristoteles‘ Streben nach einem gemeinsamen Ziel, nicht ausschließen. Um faire Voraussetzungen zu schaffen ist das Prinzip der „Equity“, das auf Ungerechtigkeiten/Ungleichheiten Rücksicht nimmt, der „Equality“ vorzuziehen. Generell erfordert Fairness Regelwerke, die nicht privilegieren und auch prozedurale Gerechtigkeit. Sedmak bezeichnet Kooperation als Überlebenstugend.

Matthias Köppen, Referent für Wettbewerb und Vergabe im Landesvorstand, erläutert Tendenzen der aktuellen Vergabepraxis hin zu quantitativer Größe. Die Auswirkungen allein der letzten Jahre sind struktureller Natur. Verschärft wird die Tendenz zu einem „closed circle“ der Vergabe durch den voraussichtlichen Entfall VgV §3 Abs 7 Satz 2 (Schätzung Auftragswert „nur für Lose über gleichartige Planungsleistungen“), der zu einer Vervielfachung der VgV-Verfahren und zu einer weiteren Ausgrenzung kleiner und junger Büros auch für kleinste Bauvorhaben führen wird. Das Ziel, fairen Marktzugang zu schaffen, wird durch das Primat der quantitativen Eignungs- und Zuschlagskriterien verfehlt. Derzeit werde in der ByAK ein wichtiges Instrument zur Einordnung von Verfahren erarbeitet, die sogenannte Vergabeampel. Anhand verschiedener Kriterien werden zur Orientierung für Auslober und Architektinnen die Vergaben in grün, gelb oder rot eingeteilt. Die erforderlichen Ampelkriterien entspringen einer berufsständischen Sicht und werden transparent aufgeführt. Ziel sind möglichst viele grüne Verfahren (Wegweiser-Funktion). Rote Verfahren sollen im Zuge der Suche nach den besten Architektinnen kenntlich gemacht werden (Schranken-Funktion). Die Möglichkeit, einen Überblick über die Qualität laufender Verfahren zu erhalten, schafft hohe Transparenz und Vergleichbarkeit. Dies ist ein Angebot an Auftraggeber und Architektenschaft gleichermaßen und kann, sofern inhaltlich seitens ByAK schnell und aktuell bespielt, ein zentrales Instrument für mehr Fairness im Vergabewesen werden.
Dr. Olaf Bahner, Referent für Baukultur und Berufspolitik in der BDA-Bundesgeschäftsstelle erläutert anschließend die wesentlichen Punkte des „Vergabekodex“ von 2021. Die Kommunen stünden unter hohem Druck und so würden Vergaben zunehmend rein über den Preis entschieden. Das Zukunftsversprechen nach guten Bauten für die Gesellschaft hänge allerdings stark an den Verfahren, dafür möchte der „Vergabekodex“ sensibilisieren. Der BDA Bayern hat die Broschüre verbunden mit einem Angebot zum Dialog an 1.400 Gemeinden in Bayern verschickt.

In Tischdiskussionen wurde nachmittags zu konkreten Fragen diskutiert:

1. Faire Vergaben: Auf Kooperation hoffen oder Rechte einklagen? Was spricht für und gegen solidarische Maßnahmen, z.B. Streik, Demonstration, gemeinsame Nichtteilnahme etc.?
Die Kooperation unter Kolleginnen wird grundsätzlich für wichtig erachtet. Faire Vergaben können so besser durchgesetzt werden. Befürwortet wird auch eine stärkere Kooperation mit Planern anderer Fachrichtungen. Der Berufsstand wird als zu „klein“ angesehen, um mit Streik und Demonstrationen Veränderungen herbeiführen zu können. Auftraggeberinnen sollten stattdessen mit dem Argument der Qualität und Nachhaltigkeit als Partner gewonnen werden. Eine Verbandsklage ist rechtlich nicht möglich und der Rügeweg für einzelne Büros mühsam und teuer. Die geplante Vergabeampel der ByAK, die Verfahren in rot, gelb, grün einordnet, kann ein wirksameres Instrument werden. Die erforderlichen Ampelkriterien, die nicht einer juristischen Einordnung, sondern einer notwendigerweise berufsständischen Sicht entspringen, werden transparent aufgeführt und sollen als Wegweiser und Schranke gleichermaßen dienen. Auftraggeberinnen sollten als Partner gewonnen und Vergabestellen zu Transparenz und Einbindung der Öffentlichkeit, z.B. durch Veröffentlichung der Ergebnisse angehalten werden.

2. Wettbewerb: Sind die bisherigen Preisgelder noch angemessen oder müssten diese deutlich erhöht werden? Welche Folgen hätte eine solche Erhöhung und wären diese für BDA Architekten tragbar?
Um das fairste Verfahren, den Wettbewerb, attraktiv zu halten, fanden Preisgelderhöhungen bei Hochbauwettbewerben in der Diskussion keine Mehrheit. Dies könne zu weniger Wettbewerbsverfahren führen. Wichtig seien das Auftragsversprechen und eine unabhängige Fachjury. Für eine fairere Verteilung der Preisgelder werden mehr 2-phasige Verfahren vorgeschlagen: wenig Leistung in der 1. Phase, in der 2. Phase Bearbeitungshonorar für jeden, möglichst zusätzlich zum Preisgeld. Zudem sollten Preisgerichte mit mehr jungen Kolleginnen und Kollegen besetzt werden. Bei städtebaulichen Wettbewerben sind die Preisgelder auch nach dem neuen Merkblatt 51 der Architektenkammer Baden-Württemberg zu niedrig, hier wäre eine deutliche Erhöhung richtig. In der Runde wird über eine Sanktionierung des AG gesprochen, der ein Projekt nach dem Wettbewerbsentscheid nicht umsetzt.

3. Freie Vergaben: Sind in Zusammenhang mit einem Honorarangebot erläuternde Skizzen/Pläne statthaft und wenn ja, in welchem Umfang?
Skizzen werden oftmals erwartet, auch im Bemühen, qualitative Aspekte einzubringen. Sie sind hilfreich, um sich mit dem Auftraggeber zu verständigen, setzen aber voraus, sich mit der Aufgabe zu beschäftigen, sind also bereits Planung (Kern der LPH 2). Vorgeschlagen wird eine Präzisierung des Leistungsbildes „Skizze“. Skizzen dienen zudem als wichtiges Mittel für junge/kleine Büros, um Qualität darzustellen und vom Primat quantitativer Kriterien abzurücken. Fazit: Skizzen sind statthaft, aber immer angemessen, in der Regel im Zuge einer Mehrfachbeauftragung in Anlehnung an LPH 2 zu honorieren.

4. VgV-Verfahren: Vorausgesetzt, die Vergabeampel ist eingeführt und ein Verfahren ist rot gekennzeichnet: Welche Maßnahmen sollen auf BDA-Seite erfolgen, wenn ein BDA Mitglied teilnimmt?
Bevor Sanktionen angewandt werden, sollte der Dialog geführt werden. Als Konsequenz denkbar wäre der Ausschluss von Nominierungen für BDA-Preise und anderen Plattformen. Diskutiert wird eine freiwillige Selbstverpflichtung zum BDA-Vergabekodex, die mit einem Stempel für faire Vergabe sichtbar wird. Der Stempel könne als Zertifikat auch an vorbildliche Auslober vergeben werden. Ein Stimmungsbild geht mit großer Mehrheit für eine solche Selbstverpflichtung aus, es gibt aber auch vereinzelt Vorbehalte. Fördermittel sollten an eine faire Vergabe gekoppelt sein, z.B. sollten bei aus berufsständischer Sicht roten Verfahren Förderungen nicht gewährt werden. Mitglieder weisen auf die entgegengesetzte Tendenz der Fördergeber hin: bei Vergabeverstößen von Kommunen werden seit dem 1.1.2023 Fördermittel nicht mehr gekürzt. Eine Kooperation mit dem Deutschen Städte- und Gemeindebund soll angestrebt werden, um grüne Ampelkriterien und die Haltung zu fairen Vergaben zu multiplizieren.

5. VgV-Verfahren: Closed Circle oder Öffnung durch Los? Wollen wir im Sinne eines möglichst breiten Zugangs zu allen Bauaufgaben auf Referenzen verzichten und wird damit letztendlich wieder der Preis ein entscheidender Faktor?
Wird die Vergabe nur über das Los entschieden, zählen Erfahrung und Referenzen nicht mehr. Es entscheidet dann das Honorarangebot. Die Mehrheit der anwesenden BDA Mitglieder ist aus diesen Gründen gegen ein reines Losverfahren in der 1. Phase. Die Einführung qualitativer Eignungskriterien (beispielsweise Architekturpreise, Wettbewerbserfolge) wird vorgeschlagen, um den Teilnehmerkreis für Büros mit fehlenden Quantitäten wie Umsatz und Referenzen zu öffnen. Als bestes und fairstes Verfahren gilt nach wie vor der RPW-Wettbewerb, der ein beispielloses Angebot eines Berufsstandes an den Auftraggeber darstellt. Gefolgt wird der RPW-Wettbewerb vom VgV- Verfahren mit Lösungsvorschlägen, eventuell mit Lostöpfen für junge oder kleine Büros. Idealerweise wird bei Wettbewerben nur mit dem 1. Preisträger verhandelt. Da ein VgV-Verfahren mit angemessen honorierten Lösungsvorschlägen einer Mehrfachbeauftragung entspricht, ist dieses Verfahren allerdings wesentlich teurer als ein RPW-Wettbewerb mit einfachem Vorplanungshonorar.

6.Investoren-, Generalübernehmer-, Totalübernehmerverfahren: Chance oder Untergang für BDA Architekten?
Die Unterscheidung der Begrifflichkeiten Generalplaner, Generalunternehmer, General- und Totalübernehmer sind wichtig. Generalplanungen werden von vielen Büros erbracht und in dieser Runde nicht weiter thematisiert. Generalunternehmer-Konstellationen werden nicht grundsätzlich abgelehnt. Bei General- oder Totalübernehmern wird hingegen die für den Berufsstand grundlegende Trennung von Planung und Ausführung aufgehoben. Mit GÜ-Verfahren wird regelmäßig die VOB umgangen, an die die öffentliche Hand als Bauherr gebunden ist. Die Architekten sind als reine Dienstleister dem Auftraggeber verpflichtet und können in Konflikt mit ihrer Aufgabe als Treuhänder eines Bauherrn und mit ihrer Verantwortung gegenüber der Gesellschaft kommen. Diese Verfahren werden mehrheitlich abgelehnt. Allerdings befördern Staat und Kommunen zunehmend die Vergaben an General- und Totalübernehmer. Grund ist neben der vermeintlichen Kosten- und Terminsicherheit insbesondere der Personalmangel in den Verwaltungen der öffentlichen Hand. Auch werde den Architekturbüros die Erbringung der Leistungsphasen 5-9 nicht mehr zugetraut. Hauptproblem bei GÜ- und TÜ-Vergaben: kritische Aufhebung von Planen und Bauen, Marktverzerrung durch Einschränkung der Teilnehmerzahlen und große Intransparenz der Verfahren!

Fazit: Eine angemessene Honorierung, die Beurteilung durch eine Fachjury und die Trennung von Planung und Ausführung sind wichtige Voraussetzungen für eine faire Vergabe. Dies ermöglicht dem Berufsstand, seine Leistung als gesellschaftlichen Mehrwert zu erbringen. Eine Schlüsselfunktion hätten auch die verfahrensbetreuenden Büros. Mehr BDA Kolleginnen und Kollegen sollten sich dieser Aufgabe zuwenden. Als Instrument wird die Vergabeampel sehr begrüßt, die ein wichtiges Signal gegenüber den Auslobern sein kann: einerseits werden rote Verfahren durch eine erhoffte Nichtteilnahme von qualitätsbewussten Architektinnen sanktioniert, andererseits zu fairen Verfahren nach best practice aufgefordert. Als größte Stellschraube innerhalb des BDA für eine faire Vergabe wird bei der abschließenden Diskussion im Plenum eine bessere Kooperation zwischen Auslobern und Architektinnen betrachtet. Hier müsse Vertrauen zurückgewonnen werden.

Julia Mang-Bohn, Matthias Köppen